Mittwoch, 19. November 2008

Depression 2008ff.?

Jochen Röpke
17. November 2008
Update 4.12. 2008

Nach dem Zugriff der „Finanzkrise“ auf die „Realwirtschaft“ schnürt die Politik Konjunkturpakete. Wenn wir uns auf das deutsche beschränken: für die Konjunktur ein reines Laissez faire, laissez aller, die Welt läuft auch ohne uns. Die Regierung legt ein Maßnahmebündel vor, welches den Staat 12 Mrd. Euro kostet und 50 Mrd. Euro an neuen Investitionen schaffen soll. Ein Multiplikator von vier ! Das hat selbst Keynes nicht für möglich gehalten. Für die Lobby (Automobil, Handwerk) ein Achtungserfolg. „20 mal mehr“ hätte der Staat in die Konjunktur investieren müssen, meint Wolfgang Münchau.[1] Der Sachverständigenrat hält 25 Mrd. für erforderlich. Sind Konjunkturprogramme eine anti-liberale Intervention? Man studiere die Argumente von Wilhelm Röpke, vorgetragen während der Depression vor 80 Jahren in Deutschland. Röpke floh danach - in die Türkei. Die „Kommunisten“ in China machen es besser - oder schlechter - , Kapitalisten wie sie sind. 4 Trillionen Yuan ($586 Mrd.) investiert der chinesische Staat in ein Wachstumsprogramm. Das entspricht 14 Prozent des chinesischen BSP. Die vergleichbare deutsche Summe wäre 540 Mrd. Dollar (ca. 421 Mrd. Euro) - [2] das Doppelte von Münchau.

On making distinctions


Quelle Obama, FT, 12. 11. 2008

Man mag fragen, ob China so ein Paket braucht - die Deutschen brauchen und wollen keines, sagt die Politik, warum auch, wir wachsen doch 2008 noch im positiven Bereich - und was im Paket überhaupt drinsteckt, ob es nicht mehr ist als eine Mogelpackung – die vorherrschende Unterstellung in den lamaistischen deutschen Medien. Im Oktober sind die Umsätze im chinesischen Einzelhandel noch um 20 Prozent gestiegen und die Inflation auf vier Prozent gesunken[3], für das kommende Jahr rechnet man mit drei Prozent. CPC- manipulierte Zahlen. China geht bereits voll in die Umsetzung. Europa macht sich Gedanken über den Inhalt und die deutsche Regierung setzt auf einen Multiplikator von 5 für ihr Minipaket. Die chinesische Regierung überwacht die Umsetzung rigoros, um Korruption, die sich auf drei Prozent des BSP beläuft, auszuschalten.[4] Was die kommunistischen Chinesen von den kapitalistischen Westmächten unterscheidet: Sie setzen, was die zyklische Konjunktur betrifft, nicht auf die Selbstheilungskräfte des Marktes. n Sie übernehmen Verantwortung. Die Weststaaten prügeln Markt und Managerklasse und spielen Kopf im Sand. Seit Niklas Luhmann wissen wir, wir haben mit Paradoxien zu leben: Markt verteufeln und gleichzeitig auf die Marktkräfte setzen. Seit Adam Smith ist bekannt: Ethik ist am besten bei politischen Entscheidungsträgern aufgehoben („unsichtbare Hände“). Deutsche Regierung hält sich an die Börsenweisheit: Greife niemals in ein fallendes Messer.

Quelle: FT, 12. 11. 2008


Quelle

Warum der deutsche Staat die Steuern für seine Bürger nicht senkt ist ein Allgemeinplatz des Wissens. Die Kaufkraft ist beim Staat immer besser aufgehoben. Von Ludwig Erhard bis zur Großen Koalition durften wir noch nie beobachten: Die realen Nettoverdienste fallen in jedem Jahr ihrer Existenz (2004-2009).[5] Gut für Exportweltmeisterei. Wenn das Ausland weniger kauft – die Chinesen haben das gleiche Problem - fehlt die durch Steuern extrahierte Binnennachfrage. Die Kanzlerin weigert sich standhaft, Steuern zu senken (Stand 2.12. 08). Die verfassungsgerichtlich erforderliche Berücksichtigung der Beiträge für die Gesundheitsversicherungen soll 2010 kommen. Die Kaufkraft steigernd wirkt dies frühestens 2011. Vielleicht wird es dann dennoch ein Konjunkturimpuls, falls es Wirtschaft schwerfällt, sich selbstheilend-marktfundamentalistisch in einer Depression zu kurieren. Was hindert den Staat anderes zu tun? Steuerhabgier der classe politique? „Denkt doch an die zukünftigen Generationen“. John Maynard Keynes den Pfeil des Todes ziehend: In the long run, we are all poor.[6] Die Depression kommt – wenn alles so läuft, wie die Regierung es bislang plant. Das war schon 1929 so. Roosevelt verlängert die Depression. [7] Wer spielt heute seine Rolle? Die deutsche Kanzlerin („Das ist Ihre Rezession, Frau Merkel“ [8])? Oder der neu gewählte US-Präsident
Quelle[9]

(dessen Beratungsteam nicht für wirtschaftspolitische Kompetenz sprechen soll- sagt uns ein Beobachter [10]), der jedoch ein Großpaket in Planung hat? Obamania. Randall Parker in Parapundit schreibt: Bill Clinton's former Treasury Secretary Robert Rubin helped steer Citi down a path that made this debacle.
The bank’s downfall was years in the making and involved many in its hierarchy, particularly Mr. Prince and Robert E. Rubin, an influential director and senior adviser.
Citigroup insiders and analysts say that Mr. Prince and Mr. Rubin played pivotal roles in the bank’s current woes, by drafting and blessing a strategy that involved taking greater trading risks to expand its business and reap higher profits. Mr. Prince and Mr. Rubin both declined to comment for this article.
When he was Treasury secretary during the Clinton administration, Mr. Rubin helped loosen Depression-era banking regulations that made the creation of Citigroup possible by allowing banks to expand far beyond their traditional role as lenders and permitting them to profit from a variety of financial activities. During the same period he helped beat back tighter oversight of exotic financial products, a development he had previously said he was helpless to prevent.
So Robert Rubin did a lot of the regulatory loosening that the Bush Administration is blamed for doing.
Remember how Barack Obama was supposed to be about change? Obama is appointing former proteges of Robert Rubin. Meet the new boss. Same as the old boss.
Geithner is a protege of Summers' and of former Clinton administration Treasury chief Robert E. Rubin.
Will Geithner demonstrate more sense at the Treasury than Rubin did at CitiGroup?
More fundamentally: Will the bankers and the regulators learn enough lasting lessons from this disaster to prevent it from happening again for a few decades?[11]
„Da wir jetzt ohne Steuerfrau in diese Krise rasen, ist eine Katastrophe wahrscheinlicher als eine weiche Landung. Meine Prognose von minus zwei bis minus vier Prozent liegt irgendwo zwischen den Extremen.“[12] Von Hoover nichts gelernt. Teddy R., reinkarniert mit Unterstützung seiner Heiligkeit, wartet. Es wird neue Pakete geben – too little, too late, third best. Die fiskalstaatliche Obrigkeitslogik verhindert eine Kaufkraft stützende Entlastung der „Souveräne“. Zwei Männer steuern die Republik, beide genießen das Vertrauen der managerialen Elite, die uns so reichlich an ihrem Wohlstand beteiligt. Grundsätze politischer Intelligenz sind durch Festlegung auf unhaltbare Positionen mißachtet. Baldige Steuersenkungen, wie sie auch von Merkels Schwesterpartei CSU gefordert werden, lehnt die Kanzlerin ab. Nach ihren Plänen sollen die Steuerzahler in Deutschland erst nach der kommenden Bundestagswahl entlastet werden. In normalen Zeiten wäre dies vermutlich eine Erfolg versprechende Wahlkampfstrategie: vorher den Haushaltssanierer geben und für die Zeit danach mit Geschenken winken.
[13] Merrill chief sees severe global slowdown.[14] “Right now, the US economy is contracting very rapidly. We are looking at a per­iod of global slowdown,” he told investors. “This is not like 1987 or 1998 or 2001. The contraction going on is bigger than that. We will in fact look back to the 1929 period to see the kind of slow­down we’re seeing now.”

Aldous Huxley:
Daß Menschen aus der Geschichte nicht lernen, ist die wichtigste Lektion, welche die Geschichte uns lehrt.

Schumpeter formuliert in der „Krise des Steuerstaates“, seit Alters her Pflichtlektüre für die Mandarine in den Regierungsapparaten: „…daß wenigstens für die [politischen] Schlagworte das Gesetz der freien Konkurrenz noch gilt: Dasjenige siegt, welches das billigste ist.“[15] Unsere Wirtschaftsweisen beruhigen: Eine Weltwirtschaftskrise wie in den 30-Jahren [die heute nur wenige vermuten, es geht um „Depression“, das „Great“ steht noch aus] wird es nicht geben, weil die Zentralbanken „weltweit sehr schnell mit einer koordinierten Zinssenkung reagieren“. Es ist fast Allgemeinplatz, dass die Geldpolitik in Zeiten der Liquiditätshortung wenig ausrichten kann. Fragen wir daher die SVR-Ökonomen in einem Jahr nach ihrer Meinung von heute, auch zu den Theorien, die ihnen eine solche Aussage erlauben. Seit 2007 haben Bundesbank und EZB eine Politik verfolgt, die unabhängige Beobachter als verheerend (Krisen verschärfend) einstufen,[16] die bis heute dennoch die Krückendeckung von Hardliner-Medien und der Politik genießt. Wir können aber schon heute Andersdenker wie Lukas Zeise und seine Kollegen von der FTD.de zu EZB und BB um Auskunft bitten, nur um anschließend in der Apotheke Antidepressiva erwerben zu müssen.
Was tun?
Obiges mag den Eindruck einer überkritischen Sicht gegenüber dem „Merkelismus“ machen. Jeder, auch unser Leser, konstruiert seine Welt. Niemand weiß, wie die Konjunktur läuft. Die Amerikaner wissen jetzt (Dezember 2008): Seit einem Jahr haben wir eine Rezession. 4 bis 5 Prozent kann das U$A-BSP noch sinken.[17] Man lese das Jahresgutachten des Sachverständigenrates, der EZB, der Bundesbank, usw. anno 2007. Die Prognosen der Wirtschaftsforscher. Sämtlich mit staatlichem Geld gefüttert.
(1) Das erste was zu tun wäre. Jene, die lauthals ihre Meinungen in die Welt stellen, darum bitten, doch bitte deutlich zu machen, was die theoretische Logik ihrer Meinung ist. „Das Praktischste was es gibt, ist eine gute Theorie“ (I. Kant). Das was bislang an Prognosen und Vorschlägen aufgelaufen ist, besteht nicht den Kanttest. Man kann die theoretische Denke, welche dahinter steht, nur vermuten. Das ist Mittelalter – vor Kopernikus, vor Darwin, weit vor Laozi Vor Entschlüsselung der DNA. Das Kanzleramt sieht das wohl auch so.[18] Die Kanzlerin könnte jeden bitten, der ihr mit Programmen und Vorschlägen daher kommt, seine Theorie in wenigen Worten, bildzeitungsverständlich, vorzustellen. Fünf SMS reichen aus. Jeder Innovator beherrscht dieses Metier. Gegenwärtige Praxis: halb-blindes, theoretisch unreflektiertes Jonglieren mit ex-post-Daten. Ökonomen sind grausame Reflektierer, die in selbstgebauten theoretischen Gefängnissen ihrem Handwerk nachgehen.
(2) Unsere Vermutungen zum theoretischen Hintergrund der Aufmerksamkeitsökonomen ist eine Mixtur von neoklassischer und keynesianischer Sicht. Die „Österreicher“ (Schumpeter, Hayek et al.) sind Nobodys. Die Klassiker werden täglich – auch von Neo- und Ordoliberalen - verunglimpft. Die „Österreicher“ ohnehin. Scharlatanerie.[19] „Vielfalt besitzen heißt Reichtum“ (Zhuangzi). Eine Volkswirtschaft verarmt ohne theoretische Vielfalt. Es geht dabei nicht um richtig oder falsch.
(3) yin-yang-logisch fehlt den Maßnahmen eine starke yang-Komponente: durch Steuern abgeschöpft; Exporteinbruch, Innovationsarmut; yin alleine – Ordnungspolitik usw. - bringt es nicht. Die Harmonie entscheidet über den Wohlstand.
(4)Handlungsoptionen vorbereiten. Was tun, wenn die „Krise“ Verlauf A oder B oder C nimmt? Aktives Nicht-Tun (wuwei) nannten es die Altchinesen, nicht Nichtstun. „Durch Nichthandeln handeln heißt Himmel“ (Zhuangzi). Vorbereitet sein, Handlungsalternativen gedanklich erarbeiten und ihre zügige Umsetzung durchdenken.
(5) Wir vermuten, die Zurückhaltung gegenüber Steuerentlastungen speist sich aus koalitionspolitischem Machtkalkül. Die auch ökonomisch begründbare relativ geringe Wirkkraft von Steuersenkungen zur Produktion konjunktureller Impulse (yang) ließe sich mit längerfristigen Überlegungen sogar visionären Charakters (yin; „Leitbild“) vereinbaren. Die Rückführung der Staatsverschuldung ist für eine den Bürgern akzeptable Weise nur vermittelbar, wenn sie sich nicht zu Lasten seiner verfügbaren Einkommen vollzieht. Dies ist nur in einer Gesellschaft möglich, die auf Innovation und Evolution (Fähigkeitsaufbau) setzt.
(6) Überdeutliche Signale senden, den entmündigen und freiheitsberaubenden Einfluß des Staates und damit des Kaufkraftabzugs zurückzuführen. Unternehmerischen Mut für die Zukunft schaffen, bewirkt bereits heute Neukombinationen in Geschäftsfeldern hoher Potentialität. Der Staat agiert visionslos. Seine Führer und ihre Berater scheinen ohne Vorstellungskraft. Vorstellungskraft, eingebunden in einen freiheitlichen Aktionsraum, schafft Innovation und Investition.

Unsere theoretischen Grundlagen beziehen sich auf die endogen erzeugten Wellen in kapitalistischen Systemen und auf die politische Kompetenz, komplexe Wirtschaftssysteme zum Wohle der Bürger (nicht des Staates) zu gestalten:
Jochen Röpke & Ying Xia, Reisen in die Zukunft kapitalistischer Systeme, BoD-Mafex, 2007. Joseph A. Schumpeter, Konjunkturzyklen, neue Auflage: Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008.


[1]
Wolfgang Münchau, Fiscal policy is our most potent instrument, The Financial Times, 9. November 2008. Noch härter argumentiert Lucas Zeise, Bund der Konjunkturbremser, Financial Times Deutschland, 11. November 2008
[2]
Keine Berücksichtigung unterschiedlicher Kaufkraftparitäten.
[3]
Nipa Piboontanasawat, China Retail Sales Rise 22%, Help to Counter Slowdown (Update3), Bloomberg.com, 12. November 2008.
[4]
James Peng, China imposes oversight on $ 586 billion stimulus to avoid graft, Bloomberg.com, 24. November 2008.
[5]
Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2008. Das Jahr 2009 ist unsere Schätzung.
[6]
Lucas Zeise, Bund der Konjunkturbremser, Financial Times Deutschland, 11. November 2008.
[7]
FDR Lengthened Economic Depression By Years, Parapundit, 19.Oktober 2008; Robert Higgs, Regime uncertainty. Why the Great Depression lasted so long and why prosperity resumed after the war, The Independent Review, vol.1,Spring 1997.
[8]
Thomas Fricke, Das ist Ihre Rezession, Frau Merkel, Financial Times Deutschland, 13. November 2008.
[9]
“Product Description: Ever since Barack Obama was young, Hope has lived inside him. From the beaches of Hawaii to the streets of Chicago, from the jungles of Indonesia to the plains of Kenya, he has held on to Hope. Even as a boy, Barack knew he wasn't quite like anybody else, but through his journeys he found the ability to listen to Hope and become what he was meant to be: a bridge to bring people together. This is the moving story of an exceptional man, as told by Nikki Grimes and illustrated by Bryan Collier, both winners of the Coretta Scott King Award. Barack Obama has motivated Americans to believe with him, to believe that every one of us has the power to change ourselves and change our world.” Laßt uns beten für die Fusion von Obamaismus und Merkelismus.
[10]
Willem Buiter, No change, no hope: Obama’s Transition Economic Advisory Board, The Financial Times, 10. November.
[11]
Citigroup Government Deal Pressures Competitors, Parapundit, 28. November 2008 .
[12]
Wolfgang Münchau, Frohen Mutes in die Depression, Financial Times Deutschland, 26. November 2008.
[13]
Financial Times Deutschland, Merkel tatenlos in der Krise, 24.11. 2008.
[14]
Financial Times, 12.November 2008. Economic depression starting? Parapundit, 12. November 2008, http://www.parapundit.com/
[15]
Joseph Schumpeter, Die Krise des Steuerstaates (zuerst erschienen 1918), in: Rudolf Goldscheid & Joseph Schumpeter, Die Finanzkrise des Steuerstaates, Frankfurt am Main, Suhrkamp, 1976, S. 329.
[16]
Zu nennen das Trio Infernale der Financial Times Deutschland (Fricke, Münchau, Zeise). John N. Muellbauer, The folly of Europe’s central banks, The Financial Times, 28.Oktober 2008. Die Sherpas im Kanzleramt sind aus EZB/BB/SVR rekrutiert.
[17]

[18]
„Sie [Angela Merkel] kann sie schon nicht mehr hören, diese selbst ernannten ‚Weisen’ vom Sachverständigenrat und diese sogenannten ‚Experten’, die sich jeden Tag zu Wort melden. Jeder empfiehlt ihr mit wichtiger Miene etwas anderes, und am Ende liegen alle Prognosen weit daneben. Mittlerweile werfe man ‚dieses ganze Zeugs ungelesen in den Papierkorb’, heißt es im Kanzleramt schroff. ‚Die Unfehlbarkeitsrhetorik der Sachverständigen steht einem bis oben hin’ (Daniel Goffart, Krisen-Kanzlerin meidet Radikalkur, Handelsblatt, 27. November 2008, S. 3.)
[19]
Ein Beispiel schildert Gary North, Academia's War Against Free Market Money, 1. Dezember 2008.

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